Die „Taz“ hat in einem beschämenden Interview mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler gezeigt, wie verantwortungslos man als Journalist agieren kann – gegenüber Interviewpartnern und seinen Lesern.
Zwei Wochen vor der Wahl hatten also zwei „Taz“-Redakteurinnen eine Stunde Zeit mit Vizekanzler Philipp Rösler für ein Interview. Eigentlich eine gute Gelegenheit, seine Stammleser kurz vor dem 22. September mit Informationen zu versorgen, warum sie die FDP wählen sollten oder nicht. Ob die Einstellungen des liberalen Regierungspartners in Wirtschafts- und Steuerpolitik dem vermeintlich grundgrünen „Taz“-Leser ferner oder doch näher sind als gedacht. Das wäre nützlich gewesen für den Kunden.
Aber nein. Die Redakteurinnen entschieden sich anders: Das Interview war unter dem Stichwort „Hass“ angefragt. Und es sollte zu einem Gespräch werden, das auch 70-jährige NPD-Mitglieder ohne Vorbereitung und Interesse mit Rösler hätten führen können. Eine Kostprobe der Fragen: „Herr Rösler, welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht, dass andere Probleme mit Ihrem asiatischen Aussehen haben?“, „Sie bekommen immer wieder Hassmails. Weil Sie FDP-Chef sind? Oder weil man Ihnen Ihre nichtdeutschen Wurzeln ansieht?“, „Wann haben Sie bewusst wahrgenommen, dass Sie anders aussehen als die meisten Kinder in Deutschland?“, „Warum interessiert Sie persönlich das Land Ihrer leiblichen Eltern nicht?“
Weißraum anstelle von Röslers Antworten
Wie bitte?! An Bösartigkeit ist das kaum zu überbieten. Konsequenterweise hätte man noch fragen müssen: „Und warum gehen Sie nicht zurück und machen einfach dort Ihre Politik, anstatt hier in unserem deutschen Land herumzuregieren?“ oder „Glauben Sie, dass man mit mutmaßlich kleinem Penis schlechter regiert?“, um das niederste Stammtischgewäsch auch vollends mitzunehmen und den Grundsatz der Wählerinformation ganz aufzugeben.
Rösler beantwortete im Gespräch alle Fragen. Doch am Ende gab die FDP das Interview nicht frei. Die Begründung: Rösler wolle sein asiatisches Äußeres im Wahlkampf nicht zum Thema machen. Für „Taz“-Chefredakteurin Ines Pohl ein Grund zur Empörung: „Das ist ein grober Bruch der gängigen Spielregeln“. Und so entschied sie sich, das Interview abzudrucken: Anstelle von Röslers Antworten ließ sie Weißraum.
Die „Taz“-Leser sind intelligenter als ihre Zeitung
Einen Bruch der Spielregeln kann man hier aber nur der „Taz“ vorwerfen, gegen die Spielregeln des guten Stils. Rösler ist im Recht: Denn hier wird das Stichwort „Hass“ direkt mit seiner Herkunft verbunden. Die Reaktionen der „Taz“-Leser im Redaktionsblog sind Gott sei Dank eindeutig: Die Redakteure haben es mit einem Shitstorm zu tun. Ein Zeichen, dass die Kundschaft schlauer ist als die Redaktion, wo offenbar in keiner Sekunde die Alarmglocken läuteten.
Auch jetzt nicht. In der Redaktion kann man die Kritik immer noch nicht nachvollziehen. Redakteur Sebastian Heiser schreibt im Hausblog: „Wir stellen Röslers Eignung nicht wegen seines Aussehens in Frage. Sondern wir sprechen an, dass andere das offenbar so sehen. Das Thema des Interviews sind die rassistischen Diskriminierungen in dieser Gesellschaft.“
Das wäre schön gewesen. Aber es sind die Fragen, die den Vizekanzler rassistisch diskriminieren. Sie stigmatisieren ihn, und dem muss er sich nicht aussetzen. Nicht in dieser Art. Man hätte Fragen stellen können zu seinen Erfahrungen im Studium, während seiner politischen Laufbahn. Das ins Verhältnis setzen können mit Erfahrungen anderer in der Gesellschaft. Aber hier geht es dann doch leider nur um den „kleinen Philipp mit den Schlitzaugen“.
Es gibt keine „gesellschaftliche Debatte“
Heiser schreibt weiter in seiner Erklärung: „Wir erwähnen Röslers Aussehen, wenn es eine gesellschaftliche Debatte darum gibt.“ Doch genau die gibt es nicht und gab es nicht. Nicht in dem Stil, wie es die Redaktion vielleicht gern hätte.
Anfang des Jahres gab es das Zitat von Hessens FDP-Landeschef und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn: „Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren.“
An dieser Stelle hätte vieles schiefgehen können. Aber der deutsche Zeitungsleser hat sich entschieden, diese Äußerung zu ignorieren. Denn er ist intelligent genug, um zu wissen, dass es völlig humpe ist, welche physiologischen Eigenschaften unsere Politiker haben.
Appell an die niedersten Instinkte
Als Journalist schäme ich mich für diese geschmacklosen „Taz“-Journalisten. Wie ein Leser im Kommentar zum Interview richtig schreibt: „Hätte ein offensichtlich rechtes Blatt diese Fragen gestellt, wäre das erwartbar gewesen. Aber die linke ,Taz‘ darf also dem deutschen Vizekanzler solche Fragen stellen und damit an die niedersten Instinkte der deutschen Wahlbevölkerung appellieren!“
Ich hätte die „Taz“ für schlauer gehalten, als dies dann auch noch als Medienskandal aufzuhängen und sich nun als Retter der Meinungsfreiheit zu präsentieren. Manchmal muss man sich als Journalist auch mal überlegen, ob man nicht einfach mal die falschen Fragen gestellt hat. Und vielleicht auch, ob man grundsätzlich die falschen Fragen an die Welt hat.