Welches ist Ihr am stärksten unternutztes Wissensgebiet?

Welches ist Ihr am stärksten unternutztes Wissensgebiet? Jenes Thema, bei dem Sie sich im Gespräch immer wieder über Ihre eigene Expertise wundern? Das Ihnen aber beruflich nie geholfen oder gar Geld eingebracht hat? Ich liege seit einigen Tagen im Krankenhaus. Dass es kein WLAN gibt, stört mich gar nicht mehr. Denn ich habe Thomas, 36, meinen Zimmernachbarn. Wir wissen gar nicht mal so viel voneinander. Aber wir reden die ganze Zeit, denn es stellte sich heraus, dass wir beide „Star Trek“-Fans sind. Man scheut als Nerd ja oft das direkte Outing, denn schnell wird man als Freak wahrgenommen. Nur weil jemand nicht die Leidenschaft nachvollziehen kann für HO-Eisenbahnen, Taubenzucht, Schinkenherstellung oder eben „Star Trek“.

Es fing deshalb ganz unverfänglich an. Meine Freundin Anna war hier und ließ mir die perfekte Krankenbettausrüstung hier: ein Dutzend Game-Boy-Spiele, Comicbücher und die DVD-Boxen von „Indiana Jones“, „Stirb Langsam“, „Jurassic Parc“ – und „Kampfstern Galactica“. Thomas, der bis dahin kaum gesprochen hatte, fragte: „Magst du so Science-Fiction-Serien?“ – „Joa, schon.“ – „Auch ,Star Trek‘?“ Nach weiterem Abtasten stellte sich heraus, dass ich ein wahres „Enterprise“-Genie neben mir habe. Thomas ist bei der Faktenlage weit besser als ich: Er kennt sogar einzelne Raumschifflängen bis zur Excelsior-Klasse auf den Meter genau. Seitdem sitzen wir abends im Zimmer und erzählen uns mit leuchtenden Augen alte Handlungsstränge wie das Khitomer-Massaker noch mal, die Enttäuschung Picards über Fähnrich Ro und Nogs traurigen Weg in den Dominionkriegen oder Phänomene wie die Pubertät der Vulkanier. Wir beide finden Spezies 8472 harmloser als die fiesen Jem’hadar. Uneins waren wir aber, ob nun die „Defiant“ oder doch die „Voyager“ das erste Schiff mit Quantentorpedos war.

Während wir da sitzen, staune ich, wie viel ich noch zusammenkriege und wie beiläufig ich in meiner Jugend all dieses Wissen aufgesogen habe. Thomas ist Trekkie der wunderbaren Art: Er sieht „Star Trek“ als Utopie in der Tradition von Campanellas „Sonnenstadt“ und Andreaes „Christianopolis“. Als Hoffnung, dass wir Höheres schaffen. Gerade während ich diese Kolumne schreibe, liegt Thomas in seinem Bett und zeichnet, inspiriert von unseren Gesprächen, ein neues Sternenflottenraumschiff. Es ist schön, wenn man auf einen anderen Nerd trifft. Auch Sie sind einer. Vergessen Sie es nicht.

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