Mit dem Feed-Algorithmus droht Twitter die Selbstzerstörung

Twitter arbeitet offenbar daran, Twitter zu zerstören. Diese Woche wurde bekannt, dass der 140-Zeichen-Dienst bald einen Algorithmus einsetzen könnte, der die Timelines kuratiert: Er soll vor allem Inhalte zeigen, bei denen wir dazu geneigt sein könnten, sie zu teilen, anzuklicken oder gar zu kaufen.

Ein Desaster.

Es gibt nicht mehr viele Orte im Web, die nicht von der unsichtbaren Hand eines Algorithmus zurechtgebastelt werden. Die beiden größten Seiten, Facebook und Google, zeigen uns die Welt längst nicht mehr ungefiltert, sondern so, wie sie wollen. Sie zeigen uns das, von dem sie glauben, dass es uns interessiert – oder ihren Werbekunden nutzt. Was ich an Twitter schätze, ist eben die Möglichkeit, dass ich selbst entscheide, was ich sehe. Ich folge dort nur denen, die mich interessieren; und lese, was sie tweeten und retweeten, sortiert nach Zeit – eine echte Timeline eben.

Ich erfahre auf Twitter Dinge über Menschen, nicht über Algorithmen: Eine Geschichte findet ihren Weg in meinen Feed, weil echte Menschen mit Gehirn und Gefühl sie interessant fanden. Auf Facebook bin ich auch verbunden mit echten Gehirnen und Gefühlen, kriege davon aber weniger mit. Der Facebook-Stream wird manipuliert und gefiltert mit der Hoffnung auf Klicks und Interaktion. Während ich auf Twitter politische Kommentare sehe, sehe ich auf Facebook vor allem, wie sich Leute Wasser über den Kopf schütten.

Transparenz ist in Gefahr

Während der WM in Brasilien erlebte ich, wie schlecht Facebook das aktuelle Informationsbedürfnis bedient. Der Algorithmus merkte, dass die WM wichtig war, scheiterte aber daran, mir Aktuelles zu zeigen: Ständig scrollte ich über Torjubel von vor zwei Tagen, Berichte von gestern und natürlich Urlaubsbilder.

Ich gebe zu, für neue User ist Twitter schwer zugänglich: Wer sich registriert, sieht erst einmal nichts bis man ein paar Leuten folgt. Man stellt dann fest, dass Twitter vor allem aus Leuten besteht, die meist nur mit wenigen oder nur vor sich hin reden, Insider-Witze machen und Tweets von anderen retweeten. Das Gute: Alle sind hier auf einem Level. Twitter wurde zur mächtigen Plattform für den digitalen Wandel und ein Ort, an dem sich Aktivisten und Revolutionäre austauschen können.

Möglich machte das auch die Timeline: Ungefiltert steht sie für Unmittelbarkeit, Wahrhaftigkeit und Transparenz. Ein Algorithmus wird das zerstören. Twitter möchte mehr User, mehr Geld, irgendwie möchte es sein wie Facebook. Aber dann sieht Twitter aus wie der Rest des Internets.

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