Die Türkei ist einer der größten Feinde von Presse- und Meinungsfreiheit. Nirgends sind so viele Journalisten in Haft. Die Medien unterliegen staatlicher Einmischung und Zensur. Kein Wunder, dass die Bürger Twitter als einen Kanal der Regierungskritik nutzen: 38 Prozent aller 36,5 Millionen Internetnutzer nutzen Twitter, der höchste Wert weltweit. In Deutschland sind es gerade mal sechs Prozent.
Nun hat die türkische Regierung eine Woche vor den Kommunalwahlen den Zugang zu Twitter gesperrt. Die Anweisung kam von Ministerpräsident Erdogan persönlich. Begründet wurde dies damit, dass Twitter auf gerichtliche Löschanfragen nicht reagiert habe. Erdogan: „Ich verstehe nicht, wie gescheite Menschen Facebook, Twitter und YouTube verteidigen können. Sie stecken voller Lügen.“
Doch trotz Sperre wird getwittert, vor allem unter dem Hashtag #TwitterisblockedinTurkey. Sogar überdurchschnittlich: am Tag der Sperrung 138 Prozent mehr als sonst. Selbst Präsident Gül kritisierte die Sperre – auf Twitter. Wie ist das möglich? Es gibt Umwege: Twitter erklärte den Nutzern sogar selbst, dass sie Tweets über SMS absetzen können.
Google-DNS auch geblockt
Rowan Barnett, Deutschland-Chef von Twitter, schrieb: „Für Nutzer in der Türkei – ihr könnt Tweets via SMS schicken. Mit Avea & Vodafone, schickt START an 2444. Turkcell, schickt START an 2555.“ Vorher muss man seinen Account mit der Handynummer verbunden haben. Einen anderen Weg, die Umgehung der Sperre mit dem DNS-System von Google, hat die Regierung nachträglich am Samstag geblockt.
Die meisten bauen die Verbindung nun mithilfe eines verschlüsselten VPN-Tunnels auf, der zwar die öffentliche Datennetz-Infrastruktur nutzt, aber von außen nicht zugänglich ist. So kann die türkische Regierung nicht sehen, welche Art von Datenpaketen da verschickt wird. Jedoch ist diese Methode mit einigen Kosten verbunden. Viele nutzen das Programm „Tor“, das auch den Standort des Rechners verschleiert, indem der Datenverkehr über mehrere Server in anderen Ländern umgeleitet wird. So kann ein Nutzer in der Türkei so wirken, als wäre er in Berlin.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Türkei den Zugang zu Internetseiten sperrt. Tausende Web-Auftritte wurden in den letzten Jahren blockiert, darunter auch von 2008 bis 2010 die Videoplattform YouTube. Anlass dazu waren Videos, die angeblich den Staatsgründer Atatürk beleidigten.