Arzt, Philosoph, erzfröhlicher Pessimist. Für Science-Fiction-Fans ist Stanislaw Lem, der 2006 in Krakau verstorbene polnische Romanautor schlichtweg Kult. Google hat ihm nun ein Google Doodle gewidmet, zum 60. Jahrestages seines ersten veröffentlichten Romans „Astronauci“ („Die Astronauten“, die deutsche Übersetzung 1954 trug den Titel „Der Planet des Todes“). Das Buch erzählt vom Ende einer erdnahen Zivilisation, die den Gewalten, die sie entfaltete, zum Opfer fiel.
Lems Roboter waren weder schlau noch moralisch
Lem war quasi der Antipol zu Isaac Asimov. Bei Asimov rasten die Menschen mit Raumschiffen durch den Hyperraum, besiedelten die Milchstraße, errichteten galaktische Imperien, konstruierten superschlaue und furchtbar moralische Roboter. Lems Roboter waren weder superschlau noch moralisch, dafür erzählten sie Märchen. Die Raumschiffe, die Lems Pilot Pirx flog, waren realsozialistische Modelle, man konnte also froh sein, wenn sie es bis in die Erdumlaufbahn schafften; dafür löste Pirx bei jedem Weltraumflug mindestens ein metaphysisches Problem.
Für die Wissenschaft hatte sich Lems, der 1921 als Sohn eines jüdischen Arztes im galizischen Lwiw (Lemberg) geboren wurde, immer schon interessiert. In jungen Jahren hatte er mit einem IQ von 180 als das intelligenteste Kind Südpolens gegolten. Seine überragende Intelligenz sollte ihm ebenso erhalten bleiben wie eine fast kindliche Freude an technischen und intellektuellen Spielereien, an Robotermärchen und kosmischen Satiren – und später auch an westlichen Luxuswaren und pikant illustrierten Männermagazinen.
Den Glauben an den Kommunismus verloren
Als Polen von Deutschland besetzt war, arbeitete Lem als Automechaniker und gehörte dem polnischen Widerstand an. 1946 Umzug von Lvov nach Krakau. Nach dem Krieg scheint Lem ganz naiv an den Kommunismus geglaubt zu haben – jedenfalls ist das der Eindruck, den „Astronauci“ hervorruft. Wie bei so vielen wurde dieser Glaube bei Lem 1956 erschüttert.
Danach interessierte er sich stark für die Wissenschaft, die Mode war: die Kybernetik. Damals entstand etwa sein Roman „Solaris“ (1961), der von einem gallertartigen Ozean auf einem fremden Planeten handelt, der versucht, mit den Menschen in Kontakt zu treten, indem er ihre Träume verwirklicht. „Solaris“ wurde gleich zweimal verfilmt, einmal von Steven Soderbergh mit George Clooney, wahrscheinlich deshalb, weil der Roman so schön tiefsinnig und schwerblütig ist. Viel lustiger war Lems „Der futurologische Kongreß“ (1978), ein dünner Band, in dem Lem einen kunterbunten Einfall auf den anderen wälzte, um den Berufsstand der Zukunftsforscher dem Gespött der Gebildeten preiszugeben. Dem Gerücht zufolge soll Lem diesen Roman geschrieben haben, während er sich in den Kneipen Westberlins herumtrieb.
1982 war er Stipendiat am Institute for Advanced Studies in Berlin, bis 1988 lebte er in Wien, dann kehrte er nach Krakau zurück. Doch dann wollte er kein Autor von Science fiction mehr sein und verlegte sich auf Essays, die zwischen Hochtechnologie und Philosophie angesiedelt waren, sowie düstere Prophezeiungen über die Zukunft der Menschheit.
„Das Klatschen mit einer Hand“
Die Polen wählten ihn zwar posthum zu einen ihrer wichtigsten Landsleute, doch zu Lebzeiten fühlte er sich nicht genügend honoriert. Obwohl ihn sein Roman „Solaris“ (1961) nicht nur in Russland „zum Objekt einer Massenverehrung“ gemacht hatte, wie er 1968 stolz verkündete, ärgerte es ihn, dass er in der Sowjetunion ein gefragter Gesprächspartner von Wissenschaftlern und Kosmonauten war, während man ihn in seiner Heimat für einen Verfasser von Jugendbüchern hielt.
Lem war Satiriker und Philosoph, er war ein erzfröhlicher Pessimist. „Was sagt die Physik über das Glück?“ fragte er einmal und antwortete sich selbst: „So viel wie über das Klatschen mit einer Hand.“
Er starb am 27. März 2006 in Krakau, ein paar Monate vor seinem Tod führte Patrick Grossmann ein letztes Interview mit Lem: HIER könnt ihr es nachlesen.
Für alle Fans von Google Doodles: Hier ist eine Übersicht mit allen Doodles ever.