Erst vor zwei Jahren hatte Apple seine Systemschriftart geändert, von der seit 2000 eingesetzten Lucida Grande (Textbeispiele und eine kleine Geschichte der Schrift) hin zu Helvetica Neue (Vergleich mit Arial und Geschichte). Ein Schritt, der bei Designern und Schriftart-Fetischisten großen Jubel auslöste, denn Helvetica ist die wohl meistverehrte Schriftart der Welt.
Doch nun wechselt Apple wieder. Zu San Francisco, eine selbst entwickelte Schriftart für alle Apple-Oberflächen. Sie wird einheitlich bei iOS, OS X und Watch OS eingesetzt werden, also auf allem, was Apple heißt. Im Gegensatz zu den meisten älteren Schriften wurde San Francisco eigens dafür entwickelt, um auf Displays gelesen zu werden, optimiert für maximale Lesbarkeit auf kleinen Bildschirmen mit kleinen Schriftgrößen. Ausgangspunkt wird die Entwicklung der Apple Watch gewesen sein.
Diese neue San Francisco ist wie Helvetica eine Schriftart ohne Serifen (also ohne die Schnörkel an den Buchstaben wie bei Times New Roman), denn die stehlen Platz auf dem Bildschirm – hat aber auch zur Folge, dass das große i und das kleine L ziemlich gleich aussehen.
Die Unterschiede zwischen den beiden sind minimal – auch für das geübte Auge. San Francisco ist im Grundsatz ein wenig fetter als Helvetica Neue. Bei kleinen Schriftgrößen gibt Apple den einzelnen Buchstaben jetzt mehr Raum, was sie auf kleinen Displays angenehmer zu lesen macht. Und auch die Satzzeichen werden etwas größer, um die Textstruktur sichtbarer zu machen. Durch ihre Höhe und Schmalheit der Buchstaben verbraucht San Francisco horizontal etwas weniger Platz, ähnlich wie die Google-Schriftart Roboto. Mehr dazu gibt es auf Apples Human-Interface-Seite.
Warum nun der Wechsel? Weil der Schritt zu Helvetica ein Fehler war, so Experten. Helvetica wurde Jahrzehnte vor dem ersten PC entworfen – in den 1950ern von der Schweizer Haas’schen Schriftgiesserei. Helvetica wurde in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einer der beliebtesten Schriftarten im Westen, wurde mit ihrer sauberen, verspielten Erscheinung zum Synonym für modernes, kosmopolitisches Design. Man verwendete es im kommerziellen und künstlerischen Design. Helvetica schien perfekt für jeden Anlass. So gab es den Satz: „Im Zweifelsfall Helvetica verwenden“.
Doch heute will das so gar nicht mehr passen. Ihre schmalen Buchstabenlinien waren nie dafür gedacht, dass sie jemand den ganzen Tag an einem Bildschirm betrachtet. Sie ist zwar schön designt, aber tatsächlich liegen ihre Stärken nur bei großen Schnitten – bei kleinen Größen ist sie eher schlecht zu lesen, weil dann die Linien zu dünn werden. Das kritisierte der Schriftgestalter Tobias Frere-Jones damals bei der Helvetica-Einführung auf OS X im US-Magazin Fast Company („Why Apple’s New Font Won’t Work On Your Desktop“).
Auch der deutsche Typografie-Guru Erik Spiekermann, der für Mozilla die Schrift Fira Sans entwickelte, hatte sich vor zwei Jahren schon über Apples Schriftentscheidungen in iOS7 negativ geäußert. Im folgenden Video erklärt er die Faszination der Designer für Helvetica, aber er sagt: „Man kann sie nicht gebrauchen.“
Und nun Sie: Mit diesem Wissen ausgestattet, können Sie bei den beiden Schriftarten Helvetica und San Francisco den Unterschied erkennen? Hier ein kleines Quiz, testen Sie sich selbst:
(Erik Spiekermann kam hier übrigens auf 83%, wie er gestern Abend tweetete)