Auch wenn etwas mit der Seele nicht stimmt, scheuen viele den Besuch beim Psychotherapeuten. Eine Studie zeigt, dass der Weg zur Praxis nicht sein muss. Das Internet hilft. Und zwar nachhaltig.
Die verständnisvolle Stimme, das Rüberreichen eines Taschentuchs, der warme Schulterklopfer – können Sie sich Psychotherapie ohne diese Nettigkeiten vorstellen? Dann könnten für Sie tatsächlich die Vieraugensitzungen genauso gut von Online-Therapien ersetzt werden. Die Uni Zürich steckte für eine Studie Depressive in zwei Therapiegruppen: in die klassische Face-to-Face-Situation und in eine Online-Version der kognitiven Verhaltenstherapie, bei der vom Therapeuten via Internet Aufgaben gestellt wurden. Nach acht Sitzungen ging es zur Evaluation: Und raten Sie mal – die Internetgruppe hat gewonnen.
Genau genommen haben beide Gruppen gewonnen, weil alle Patienten am Ende weniger depressiv waren. Direkt nach der Behandlung konnte bei 53 Prozent der Online-Probanden keine Depression mehr festgestellt werden, bei den Sprechzimmer-Probanden waren es 50 Prozent. Das klingt nicht unbedingt spektakulär. Interessant war aber die erneute Betrachtung drei Monate nach der Studie: Bei den Teilnehmern der Online-Gruppe hatte bei 15 weiteren Prozent die Depression abgenommen.
Man könnte dieses Ergebnis als weiteres Indiz dafür sehen, dass der Mensch immer weniger mit anderen von Angesicht zu Angesicht zu tun hat, vielleicht sogar haben will oder gar haben sollte. Doch in den Evaluationsbögen werteten 96 Prozent der Online-Gruppe den Kontakt zum Therapeuten als „persönlich“. Wie lässt sich dieser Erfolg also erklären? Die Onliner hatten etwas, das den anderen fehlte – quasi ein Sitzungsprotokoll. Sie gaben an, dass sie auch zu späteren Zeitpunkten die Sätze ihres Therapeuten wiederholt durchgingen. Sie parat zu haben, wann immer sie gebraucht wurden, erwies sich als hilfreich. Den konventionellen Patienten blieb nur die Erinnerung an das, was einmal besprochen wurde. Natürlich ist das nicht die Lösung aller Probleme. Es produziert sogar neue: Denn Kommunikation, die nur schriftlich stattfindet, führt auch oft zu Missverständnissen. In einer Psychotherapie kann das sogar fatal enden. Und will man wirklich seine Leiden dokumentieren und anderen Neugierigen zur Kenntnis geben? Was machen Therapeuten, deren einzige Waffe ihre Stimme ist? Wird die Ferntherapie dazu führen, dass sich der Therapeut bei Fehldiagnose, Medikation und Selbstmord weniger verantwortlich fühlt? Davon einmal abgesehen, könnte das Internet hier Menschen helfen, die den Weg in die Praxis scheuen. Man hat ja nichts zu verlieren.