Die digitale Welt zieht andere Grenzen als ihr analoges Pendant. Geht es um Beziehungen, Offenheit und Vertrauen, stellt sich die Frage: Soll der Partner alles wissen? Forscher sind skeptisch.
Für Liebesbeweise gibt es im digitalen Zeitalter neue Möglichkeiten. Es fängt an mit anstupsen, später stellt man seinen Facebook-Status auf “in einer Beziehung” um – und wenn das Gefühl ganz doll ist, verrät man sogar mit wem. Es kann aber noch weiter gehen: Viele junge Paare zeigen sich Liebe und Vertrauen, indem sie sich gegenseitig die Passwörter für E-Mail-Konten, Facebook und andere Zugänge verraten.
Laut einer Studie von Pew Research teilen in einem Drittel aller Beziehungen die Beteiligten ihre Passwörter, bei manchen Paaren stellen beide dafür zur Vereinfachung sogar dasselbe Passwort ein.
Natürlich hat dieser Vertrauensbeweis auch irgendwie etwas total Romantisches: alles teilen und keine Geheimnisse voreinander haben. Doch das Mehr an Wissen bringt vielmehr Gründe zur Beunruhigung. Schon 2009 ergab eine Studie im „CyberPsychology & Behavior Journal“, dass allein das Befreundetsein auf Facebook (auch ohne Passwort-Austausch) Auswirkungen auf Beziehungen hat: die Auslistung der Freunde, sehen, wer auf die Pinnwand schreibt und mit wem der andere auf Bildern zu sehen ist – alles Futter für Eifersucht.
Mit dieser Art von Liebesbeweis verletzt man aber auch die Privatsphäre derjenigen, mit denen man in Kontakt steht. Wer Ihnen eine Mail schickt, darf eigentlich davon ausgehen, dass nur Sie diese lesen werden. Natürlich besteht zwar immer die Möglichkeit, dass Sie anderen die Informationen, aber der Sender sollte die Grundannahme haben dürfen, dass keine andere Person die Mail lesen wird.
Nun, der Austausch von Passwörtern hat meinetwegen etwas Romantisches, aber wohl eher etwas von dieser Romeo-und-Julia-Romantik, bei der alles ganz schlimm wird, ganz traurig, und ganz tot. Oder ganz arbeitslos.
Ermittlungen im Fall der verhängnisvollen Affäre des amerikanischen Ex-Geheimdienstchefs David Petraeus lassen nun den Rückschluss zu, dass hier jemand genau diesem Passwort-Liebesbeweis zum Opfer gefallen ist.
Das FBI ist ja über die Affäre gestolpert, weil Petraeus’ geliebte Biographin Paula Broadwell eine Frau in Florida per Mail bedroht haben soll, die womöglich auch um den seit 37 Jahren verheirateten Vier-Sterne-General buhlte. Das ergab die Untersuchung des Mailverkehrs der Damen, bei der das FBI überraschend auf Mails des CIA-Direktors stieß und direkt eine Hack-Attacke auf das Google-Mail-Konto von Petraeus witterte. Aber auch nur so lange, bis das mit der Liebesaffäre herauskam.
Statt um ein Sicherheitsleck handelt es sich womöglich um unseren verhängnisvollen Liebesbeweis: Der CIA-Chef gibt der Geliebten Zugang zum Postfach. Das ist nicht süß, sondern dumm. Und selbst wenn es nur so war, dass er sich an ihrem Computer nach dem Abrufen seiner Mails nicht ausgeloggt hat, für einen Geheimdienstchef ist das dumm genug.